Pflanzenfotos und die Fototechnik

von Maro Moskopp, Fotoingenieur

Dies ist ein nüchterner Hintergrund an Überlegungen und Tipps für passionierte Fotografen. Es mag zuweilen etwas trocken klingen, aber auch das gefühlvollste Bild will technisch sauber umgesetzt sein.

1) Kameras

Die Entwicklung hat mit sich gebracht, dass heute fast ausschließlich Digitalkameras verwendet werden. Auch wenn ich selbst auf konventionell-analogen Kameras "gelernt" habe, bleibt diese Technik der Vergangenheit hier ausgespart.

Formate:

a) Das sicherlich interessanteste Format ist das APS-C Format der meisten digitalen Spiegelreflexkameras. Der Chip ist ca 15mm x 23mm groß. Er bietet einen guten Kompromiss zwischen Auflösung, Kosten und der notwendigen Tiefenschärfe für dreidimensionale Objekte.

b) Vollformat-Spiegelreflexkameras mit der Chipgröße 24mm x 36mm bieten weniger Tiefenschärfe speziell bei Makroaufnahmen, die Auswahl der verfügbaren Objektive ist beschränkt. Unter idealen Bedingungen liefern sie jedoch sehr detailreiche Bilder.

c) Halbformat-Spiegelreflexkameras, typische Vertreter Olympus und Panasonic / Four Thirds Standard), haben bei Macroaufnahmen wegen besserer Schärfentiefe Vorteile, aber speziell hier ist die Auswahl an Produkten sehr eng, das Preisniveau höher.

d) Anspruchsvolle Bridge-Kameras mit Chips in 1/1,7 Zoll sind geeignet, wenn das fest verbaute Objektiv lichtstark genug ist, makrotauglich und der Arbeitsabstand für Makroaufnahmen weit genug ist. Manuelle Scharfstellung und / oder freie Wahl des Autofokus-Messfeldes sind notwendig. Man sollte darauf achten, dass die Pixelzahl nicht über z.B. 12 Mio liegt, die Empfindlichkeit tief einstellen und eine geringe Rauschunterdrückung, damit Details nicht zu sehr verschluckt werden.

e) Kompaktkameras der Chipgröße 1/2,3 Zoll sind in fast allen Fällen weniger geeignet für anspruchsvolle Detailaufnahmen. Die rechnerische Glättung des Bildrauschens, das hier verstärkt vorgenommen wird, führt sehr häufig zu erheblichen Detail / Texturverlusten in Farben wie Grün, Rot und Purpur.

2) Objektive

Spiegelreflexkameras ermöglichen Wechselobjektive. Für spezielle Bilder ist dies der leistungsfähigste Weg. Sehr häufig werden Spiegelreflexkameras mit Erstausrüstungs-Zoom-Objektiven verkauft. Diese sind bedingt einsetzbar, die Haupt-Beschränkungen sind: mangelnde Makro-Fähigkeit, und wenn doch gegeben, zu kurze Aufnahmeabstände für große Abbildungsmaßstäbe, so dass der Fotograf fast "auf das Objekt draufrutscht" oder das Licht für das Objekt gravierend abschattet bzw. kein Platz besteht, künstliche Beleuchtung zum Objekt zu bringen.

a) Festbrennweitige Normalobjektive ( das klassische 50mm - Objektiv ) sind optisch gut, relativ preiswert (grosser Gebraucht- markt), wirken auf APS-C Kameras schon wie ein Halb-Tele, vertragen sich gut mit Vorsatzlinsen von z.B. 2 Dioptrien Stärke und ermöglichen gut aufgelöste Bilder von Unendlich bis Maßstab ca. 1:5. Die manuelle Scharfstellung älterer Objektive ist von Vorteil zur besseren Bildkontrolle, die hohen Lichtstärken von 1:2, 1:1,7 oder 1:1,4 erlauben präzises Scharfstellen auf den gewünschten Punkt.

b) Festbrennweitige echte Makroobjektive sind das Arbeitspferd für Pflanzenfotografen. Es stehen reichhaltige Brennweiten zur Verfügung: 35, 50, 60, 70, 90, 105, 150 bis zu 180mm, alles finanziell im Rahmen. Soll nur ein Makroobjektiv zum Einsatz kommen, sind 60 oder 70mm ein guter Kompromiss. Häufig ist es jedoch hilfreich, 2 Brennweiten zu haben, z.B. 35 oder 50mm für schwierigere Aufnahmesituationen, wenn weniger Licht zur Verfügung steht und aus der Hand aufgenommen werden muss und dazu dann ein 105mm Makroobjektiv, wenn unter idealen Bedingungen, keine Kamerabewegung, wenig Objektbewegung, ausreichend Licht gearbeitet werden kann. Es ist Fakt, dass im Bereich großer Abbildungsmaßstäbe, 1:2 oder größer, die Schärfentiefe äußert gering wird, teilweise unter einem Millimeter, was auch durch Abblenden nicht dramatisch wächst. Geringste Bewegungen des Fotografen oder des Objektes führen sofort zu Ausschussproduktion. Bei der Wahl des Makroobjektives ist deshalb eine flache Entfernungsschnecke von Vorteil. Leider haben viele moderne Autofokus-Objektive sehr steile Entfernungs- schnecken, was im AF Betrieb nicht stört, im manuellen Focusbetrieb aber zu sehr nervöser Scharfstellung führt. Alte MF-Makroobjektive welche kompatibel mit modernen Digitalkameras sind, sind da häufig im Vorteil.

c) Weiter entfernte Pflanzenteile erfordern Teleobjektive. Wenn möglich, mit guten Festbrennweiten 135mm oder 200mm arbeiten, die hohe Auflösung, gutes Kontrast / Gegenlichtverhalten mit ausreichender Lichtstärke vereinen. Es gibt moderne und relativ gute Autofocus-Zoomobjektive mit 70-200mm oder 100-300mm Brennweite, die allerdings schwer und teuer sind. Ein aktuelles AF-Macroobjektiv 150mm oder 180mm ist als leistungsfähiges Tele auch gut.

d) Für Übersichten ist die Objektivauswahl weniger kritisch, da die Komponenten der "normalen" Fotografie es meistens tun. Ein Zoom mit 18-55mm oder ein Festobjektiv mit 20 bis 28mm kommen in Betracht.

3) Beleuchtung

a) Glücklich kann sich derjenige schätzen, der mit vorhandenem Tageslicht sein Objekt optimal beleuchtet bekommt.

b) Blitzen frontal direkt von der Kamera ist einfach und meistens die schlechteste Lösung, da dieses Licht nicht strukturiert, sondern einfach nur hell macht, Reflexe erzeugt, zu wenig in die Tiefe geht und harte Schatten wirft.

c) Blitzen durch flächige Leuchten, günstigenfalls von der Seite, strukturiert das Objekt / seine Oberfläche besser. Das kann eine gewerbliche Flächenblitzleuchte sein, aber auch Eigenkonstruktionen mit gängigen Kompakt-Elektronenblitzgeräten mit milchigen Acrylglas-Streuboxen tun hier gute Dienste.

d) Eine relativ preiswerte und gut zu kontrollierende künstliche Lichtquelle sind Leuchtkästen mit Leuchtstoffröhren. Der einstellbare Weißabgleich guter Digitalkameras macht das Neonlicht für qualitative Fotos zugänglich. Allerdings bekommt die Lichtquelle dann eine beträchtliche Größe (z.B. 65cm x 65cm), was einerseits gut ist für den Lichtfall, andererseits räumlich behindern kann. Es ist wichtig, KEINE Verschlusszeiten kürzer als 1/100 Sekunde mit Leuchtstofflicht zu benutzen, die Farbwiedergabe kann dann schwanken. Wenn man zur Sicherheit genügend viele Aufnahmen machen kann, funktioniert die 1/200 sec allerdings auch.

e) Sehr einfach, effektiv und kostengünstig ist es, Aufheller aus (auch großen) Styropor-Platten zu benutzen. Diese Aufheller sind mit allen Lichtarten kombinierbar.

f) Für Makroaufnahmen, speziell "im Studio", also unter planbaren Bedingungen, können Lichtzelte aus Josefspapier oder Polyester-Zeichenfolie gebaut werden. Butterbrotspapier tut's auch zur Not.

4) Kameraeinstellungen

Was fotografieren wir? Farben, Formen, Oberflächen, feine Details.

a) Die Natur hat manche Farben häufiger als die künstliche Welt. Rot, Gelb, Grün und Braun / naturfarben sind sehr häufig. Jede dieser Farben hat eine spezifische Aufgabenstellung:

Rot ist in der Regel eine hochgesättigte Farbe, und Digitalkameras haben mit Rot gelegentlich Probleme. Wird die Sättigung bei der Aufnahme hoch eingestellt und die Belichtung reichlich = hell, kommt die Information des Rotkanals an den oberen Anschlag, sprich Übersteuern gleich Informationsverlust. Für intensives Rot muss die Farbsättigung VOR der Aufnahme in der Kamera reduziert werden, am Besten nach systematischem Testen. Anhalt: die Hälfte des Negativ-Verstellweges des Sättigungsreglers nutzen. Zusätzlich eine Belichtungsreihe anfertigen und die dunkelste Aufnahme wählen, die vertretbar ist. Ein zu warmer Weißabgleich bei der Aufnahme verschärft das Problem, ein kühlerer Weißabgleich entspannt es. Subjektiv zu schwaches Rot ist später in der Bildbearbeitung wieder steigerbar, aber zu intensives Rot direkt bei der Aufnahme zerstört Strukturen im Rot, homogene Farbflächen sind die Folge.

Für Gelb gilt, da Gelb eine helle Farbe ist, dass ebenfalls die Belichtung auf der dunkleren Seite eingestellt werden sollte, um im Gelb nicht nach oben aus dem Ansprechbereich des Sensors zu gelangen.

Grün stellt an die Kamera die Anforderung hoher Struktur-Differenzierung und hoher Farbton-Trennung. Speziell die "Landschaftsprogramme" vieler Digitalkameras sind für die Trennung Gift, da durch eine künstliche Übersättigung des Grüns verschiedene Farbtöne unnötigerweise zusammengelegt werden. Farbprofile wie "natürlich" sind i.A. besser geeignet. Wenn dunkles Grün aufgenommen wird, das zudem noch im Schatten liegt, kann die Detailwiedergabe stark leiden. Mit erster Priorität muss bei der Aufnahme Licht an diese Stellen gebracht werden, und wenn dies nicht möglich ist, die Aufnahme hell genug belichten. Zu dunkles Grün neigt später in der Bildbearbeitung zu Rauschen, Tonabrissen, Verschwärzlichung. Dazu kommt noch ein spezielles Problem, wenn kleine Aufnahmechips und / oder hohe Rausch- unterdrückung durch die Kamera gegeben ist: vor allem kontrastschwaches Grün wird dann mit erheblichen Detailverlusten abgebildet, die sprachlich gelegentlich als "vermatschen" oder "Aquarellierung" bezeichnet werden. Je höher die Pixeldichte auf dem Chip, desto eher Gefahr von zu schwach strukturierten Grünflächen. Wenn die Kamera und die Bedingungen es zulassen, die tiefste ISO-Empfindlichkeit wählen und die einstellbare Rauschreduzierung ganz ausschalten. Wenn wählbar, Chromarauschen leicht reduzieren, Luminanzrauschen NICHT.

Die Natur- / Brauntöne stellen i.A. keine besonderen Schwierigkeiten dar, es sei denn, durch zu hohe Voreinstellung der Farbsättigung macht man Braun zu Orange, aber dafür muss man schon ordentlich übertreiben bzw. danebengreifen.

Auf Blättern und Blüten sind häufig Lichtreflexe. Der Fotograf stellt sich deshalb analytisch die Frage: sind diese Reflexe gewollt, gehören zur Aussage über das Objekt oder sind sie störend und überlagern gewollte Information "darunter". So ist ein Blatt mit Wachsschicht wegen der Reflexe so charakteristisch, aber ein mattes Blatt mit schwachem Grün wird bei bewölktem Himmel durch Reflexe auf der Oberfläche seinen Rest an Eigenfarbe schnell verlieren. Ein zentrales Hilfsmittel ist der Polarisationsfilter. Für Kameras/Objektive ohne Autofocus reicht die günstigere Variante Linearpolfilter, für AF-Kameras ist ein Circular-Polfilter nötig, aber der darf nur richtig herum benutzt werden, herumgedreht tut er nichts. (Dieser Fehler tritt gelegentlich auf, wenn Circularpolfilter mit nicht passendem Gewinde von Hand vor das Objektiv gehalten werden.) Der Polfilter ist in der Lage, Reflexe zu vermindern (falls das Licht im Brewster-Winkel einfällt, vollständig) oder den Reflex zu verstärken, je nach Zielsetzung bzw. Drehwinkel. Der Beeinflussung von Reflexen bei der Aufnahme sind manchmal Grenzen gesetzt, dann erfolgt eine weitere Bearbeitung am PC. Da Reflexe statistisch kurzwelliger sind als das Objekt, wählt man in selektiver Farbkorrektur den Blaukanal, entfernt Weiß bzw. fügt Schwarz im Blaukanal dazu. Reflexe und Streulicht sprechen darauf i.A. gut an.

b) Formen und feine Details bilden wir mit guter Schärfe ab. Festobjektive sind i.A. leistungsfähiger als Zooms. Die Blende muss klein genug sein, um ausreichend Schärfentiefe zu haben, aber darf nicht zu klein sein, weil sonst bei Chips mit hoher Pixeldichte die Beugungsphänomene des Lichtes an der Blende die allgemeine Schärfe verringert. Moderne Chips hoher Pixeldichte liefern bei Blenden von 5,6 und 8 gute Ergebnisse, kleinere Blenden werden unschärfer. Makroaufnahmen mit hohem Schärfentiefebedarf machen es trotzdem vom Gesamtbild her manchmal notwendig, auch Blenden von 16 oder 19 zu benutzen. Viele Aufnahmen "gewinnen" an Darstellungskraft, wenn das dargestellte Hauptobjekt mit guter Schärfe vor dem bewusst unscharfen Hintergrund sich pseudo-plastisch abhebt. Dazu sind Blendenwerte von z.B. 2,8 oder 4 förderlich in Verbindung mit Brennweiten etwas länger als "normal". Da andererseits zum Scharfstellen eine gewisse Sicherheit vorteilhaft ist, kommen einige Spezialisten dann für eine optimale Freistellung vom Hintergrund auf Objektive wie 50mm/1,7 oder 60mm/2 oder 85mm/1,4-2 oder 105mm/2,8 oder 135mm/2,8.

So kann man hohe Einstellsicherheit, gute Schärfe und geringe Tiefenschärfe praktisch kombinieren.

5) Bildbearbeitung

Dieses Feld ist fast unerschöpflich, sprengt den Rahmen. Deshalb nur wenige grundlegende Maßnahmen:

a) Falls das Bildbearbeitungsprogramm z.B. Photoshop eine Erweiterung der Dynamik (Tiefen/Lichter) ermöglicht, dies gezielt zu einem frühen Zeitpunkt der Bildbearbeitung mitbenutzen.

b) Unscharfmasken steigern die Qualität von Aufnahmen. Es ist sinnvoll, in einer Reihe mehrere Unscharfmasken in dieser Reihenfolge nacheinander anzuwenden:
- höchste Stärke mit SEHR kleinem Radius
- mittlere Stärke mit mittlerem Radius
- geringe Stärke mit größtem Radius.
Es sollte immer ein kleiner Schwellenwert eingegeben sein, Schwelle nie Null setzen.

c) Wir wissen, das Pflanzen grün sind, jedenfalls glauben wir das. Häufig ist aber pflanzliches Grün selektiv besser als "Gelb" ansprechbar. In der selektiven Korrektur des Gelbes zieht man das Grün effektiv in die "richtige Ecke" und in der selektiven Korrektur "Grün" bekommt es den letzten Schliff. Vegetatives Grün in größerer Entfernung, z.B. bei Tele-Aufnahmen, ist häufig atmosphärisch verblaut.

Dann folgt logischerweise, dass man dieses verblaute Grün besser mit "selektiv cyan" ansprechen kann, um z.B. die störenden Blauanteile zu entfernen.

Dies sind grausig viele Details und sicher wird manch nützlicher Tipp fehlen. So wie unsere Pflanzen wachsen, so lebhaft ist die Technik, die wir anwenden, um diese Pflanzenschönheiten darzustellen. Da gibt es keine Doktrin, keinen Beton, und das ist gut so. Aber die Pflanzen haben in sich einen schönen Plan, und es ist nicht schlecht, wenn auch wir mit einem kleinen Plan an unsere Arbeit gehen. Ich bedanke mich für die Farben dieser Pflanzen.

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